Peter Schwarz, Contra perfidos Judaeos de conditionibus veri Messiae [Gegen die treulosen Juden über die Bedingungen des wahren Messias]. Esslingen: Konrad Fyner, 1475.
Peter Schwarz (auch Petrus Nigri, 1434–1483), ein deutscher Dominikanermönch, hatte Hebräisch gelernt, um jüdische Gemeinden im Heiligen Römischen Reich zu „missionieren.“ Er veröffentlichte zwei ausführliche antijüdische Schriften, in denen er dafür eintrat, den Talmud als gotteslästerliches und ketzerisches Werk zu verbrennen. Trotz seiner unerbittlichen Judenfeindschaft erläuterte er in seinen Schriften die hebräische Vokalisierung und druckte einige Passagen aus der jüdischen Bibel und aus Gebeten im hebräischen Original.
Es war der erste Versuch in Deutschland, die hebräische Schrift zu drucken.
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Johannes Pfefferkorn, Speculum adhortationis iudaice ad Christum [lateinische Ausgabe des Judenspiegel]. Köln: Martin von Werden, 1507.
Johannes Pfefferkorn (um 1469-1521) war 1505 zum Christentum konvertiert und wurde zum rührigen antijüdischen Agitator. Seine Mission fand Unterstützung von vielen Seiten: von den Dominikanern und Franziskanern, von der theologischen Fakultät der Universität zu Köln und von einigen deutschen Fürsten. In seinen Schmähschriften zitierte (und entstellte) er jüdische Schriften, um die Christen aufzuhetzen. Die christliche Welt sollte keine jüdischen Gemeinden mehr in ihrer Mitte tolerieren. In diesem Pamphlet, seinem ersten, behauptete Pfefferkorn, jüdische Bücher enthielten „abscheuliche Lügen über Christus und Maria”. Er forderte von den Fürsten, den Juden „die Bücher wegzunehmen und ihnen nichts zu lassen als den Text der Heiligen Schrift”.
Pfefferkorns Traktate wurden gleichzeitig in separaten deutschen und lateinischen Ausgaben vertrieben. Der Judenspiegel erschien zunächst in Deutsch: Der Joeden Spiegel, Köln: Johannes Landen, 1507. Zu sehen ist die erste lateinische Ausgabe.
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Johannes Pfefferkorn, Ich heysch eyn boichelgyn der ioeden bicht [Judenbeichte]. Köln: Johannes Landen, 1508.
In diesem Text, der im Februar 1508 veröffentlicht wurde, beschrieb Pfefferkorn jüdische Feiertage. Verächtlich und herabsetzend stellte er einige Bußrituale dar, die Juden zwischen Rosh Hashanah und Yom Kippur begehen. Vor allem erhob er die alten Vorwürfe, dass jüdische Gebete den Hass auf Christen schürten, insbesondere das Avinu Malkenu („Unser Vater, unser Herr”), das in der Zeit zwischen Rosh Hashanah und Yom Kippur gesprochen wird: „Sölcher yetz gehorter fluch wirt vber vns christen vnd nyemantz anders besunder gethon/ warumb wer mein getrewer rat nach meinem cleynen verstant sulch bücher der flüche von ynnen zunemen.”
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Johannes Pfefferkorn, In disem buchlein vindet Ier ain entlichenn furtrag wie die blinden Juden yr Ostern halten. Augsburg: Erhard Öglein, 1509.
Pfefferkorns Machwerke waren derart aufhetzend, dass Johannes Reuchlin dafür plädierte, man müsse den Autor wegen Erregung bürgerlichen Unfriedens vor Gericht bringen. Wie schon der Titel deutlich macht, verlangte Pfefferkorn in diesem Pamphlet, man dürfe die Juden nicht länger dulden, weil sie Ketzer seien, „nach dem Alten wie dem Neuen Testament“. Wie ein Mantra wiederholte Pfefferkorn seine Forderung, die Behörden müssten den Juden den Geldverleih verbieten, sie zum Besuch christlicher Gottesdienste zwingen, und alle jüdischen Bücher konfiszieren, denn sie seien „die Mutter ihrer Verbrechen“. Am Ende der Schrift findet sich ein Plädoyer für die Zwangstaufe jüdischer Kinder und den Appell, widerspenstige Juden wie „verbrecherische Hunde” aus dem Reich zu jagen.
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Victor Carben, Opus aureum ac novum … in quo omnes iudeorum errores manifestantur. Köln: Heinrich Neuß, 1509.
Victor Carben (um 1422-1515), zunächst Rabbiner, konvertierte 1472 zum Christentum und beteiligte sich an der Kampagne gegen die Juden. Wie Pfefferkorn verfasste auch er antijüdische Hetzschriften, wie jener fand auch er Unterstützung durch die Kirche und die Universität zu Köln. Auch Carbens Schriften erschienen auf Deutsch und Latein, damit sie nicht nur Akademiker, sondern auch das gemeine Volk erreichten. In einer förmlichen Empfehlung (jetzt verschollen) unterstützte Carben nachdrücklich das Vorhaben Kaiser Maximilians, mit Ausnahme der hebräischen Bibel alle jüdischen Bücher zu verbrennen.
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Johannes Reuchlin, Brief an Jacob ben Jehiel Loans, aus Clarorum virorum epistolae latinae graecae & hebraicae variis temporibus missae ad Ioannem Reuchlin Phorcensem ll. Doctorem. Tübingen: Thomas Anshelm, 1514.
1492/93 lernte Johannes Reuchlin intensiv Hebräisch unter Anleitung des Rabbi Jacob ben Jehiel Loans, eines studierten Mediziners am Innsbrucker Hof von Kaiser Friedrich III. Reuchlin war so erfolgreich und seine Kenntnisse so beeindruckend, dass der Kaiser ihn mit dem kostbaren Geschenk einer hebräischen Bibel aus dem zwölften Jahrhundert auszeichnete. Dieser Brief ist ein Beispiel für Reuchlins neue, von Respekt getragene Wahrnehmung von Juden, Judentum und jüdischer Gelehrsamkeit. Obwohl Begünstigung der Juden Gegenstand einer Anklage gegen ihn war, veröffentlichte er 1514 den Brief während des Prozesses: „Lieber Meister Jacob, mein Kollege, mein lieber Vertrauter, mit großer Sehnsucht wünsche ich dein gesegnetes Antlitz zu sehen, um mich an dem glänzenden Schein deines Angesichtes zu ergötzen, indem ich die reinste Lehre von dir vernehme.”
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Johannes Reuchlin, Principium libri Ioannis Reuchlin … de rudimentis hebraicis. Pforzheim: Thomas Anshelm, 1506.
1498/99, als Gesandter des Kurfürsten Philipp von der Pfalz in Rom, setzte Reuchlin bei dem berühmten jüdischen Gelehrten Obadiah Sforno sein Hebräischstudium fort. Angeleitet durch Loans und Sforno und durch intensive eigene Anstrengungen verfasste Reuchlin die erste hebräische Grammatik und das erste hebräisch-lateinische Wörterbuch. Auf Latein verfasst, basiert das Buch vor allem auf der mittelalterlichen jüdischen Grammatik des Moses Kimhi und dem berühmten hebräischen Wörterbuch von David Kimhi, dem „Buch der Wurzeln“. Bemerkenswert an diesem Wörterbuch sind die häufigen Korrekturen, die Reuchlin an der damals kanonischen Bibelübersetzung, der Vulgata des Hieronymus, vornimmt.
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Johannes Reuchlin, De verbo mirifico. Basel: Johannes Amerbach, 1494.
Reuchlins erste bedeutende Veröffentlichung war sein Traktat über die jüdische Kabbalah. Sein Interesse an der Kabbalah hatte der Florentiner Humanist Giovanni Pico della Mirandola geweckt. Von Pico della Mirandola angeregt zielte Reuchlin auf eine "Christianisierung" der jüdischen Mystik. So behauptete er, dass das unaussprechliche Tetragramm des göttlichen Namens – YHVH – in seiner neuen Form im Namen Jesu als Pentagramm – YHSVH – sprechbar und wirksam würde. Später machte Reuchlins Verleger Thomas Anshelm aus dieser Idee die Devise für seine Druckerei. (Vgl. Objekt II.5) Reuchlins De verbo mirifico ist bemerkenswert, weil es auf der einen Seite der hebräischen Sprache große Bedeutung zuspricht, auf der anderen Seite das Judentum aber dennoch eindeutig ablehnt.
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Johannes Reuchlin, Ioannis Reuchlin Phorcensis ll. doc. de arte cabalistica libri tres Leoni X. dicati. Hagenau: Thomas Anshelm, 1517.
De arte cabalistica ist eines der wichtigsten christlichen Werke über das Judentum. Es beruht auf einigen Dutzend Quellen, darunter der Sohar und die Schriften des Joseph Gikatilla. Reuchlin gibt einen Überblick über die Grundsätze der Kabbala, insbesondere über die Lehre von den Emanationen Gottes und den Verfahren der Bibelinterpretation. Bedeutsam sind seine Darstellungen jüdischer Frömmigkeit und Mystik, die er auch Christen als Vorbild empfahl. Nach Max Brod war De arte cabalistica das Werk „in dem er [Reuchlin] mehr und Wesentlicheres zugunsten der verfolgten Juden und ihrer missachteten und missverstandenen Geisteshelden zu sagen wagte als in all seinen früheren Schriften zusammengenommen.“
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Johannes Reuchlin, De accentibus et orthographia linguae hebraicae. Hagenau: Thomas Anshelm, 1518.
Es handelt sich um eine grundlegende Studie zur Vokalisierung und Akzentuierung des Hebräischen. Ein wichtiger Subtext der Schrift ist Reuchlins Entschlossenheit, die Berufung auf jüdische Autoritäten zu legitimieren, indem er dies selbst praktizierte. Immer wieder bezieht er sich zustimmend und dankbar auf jüdisches Wissen: „Ich habe alles nach der Lehre der Juden geschrieben, so wie sie diese Themen in ihren grammatischen und musikalischen Schriften behandelt haben.“ Auch in diesem Werk ist der mittelalterliche Grammatiker David Kimhi eine seiner wichtigsten Quellen.
In diesem Buch wird das Hebräische zum ersten Mal mit musikalischer Notation gedruckt, hier um die jüdische Kantillation (d.h. Sprechgesang) anzuzeigen.
Reuchlin, De accentibus et orthographia linguae hebraicae. Hagenau: Thomas Anshelm, 1518.
Detail des Kolophons.
Die Devise von Reuchlins Drucker Thomas Anshelm, die Reuchlins Erweiterung des göttlichen Tetragramms zu dem Pentagramm des Namens Jesu illustriert.
Johannes Pfefferkorn, Hostis iudeorum. Köln: Heinrich Neuß, 1509.
Das letzte Pamphlet, das vor Beginn der Bücherkonfiskationen erschien, war Pfefferkorns Der Judenfeind, eine gehässige Schmähschrift gegen die angeblichen Gotteslästerungen der Juden und die ihnen unterstellte Feindschaft gegen das Christentum. Niemals, so giftet Pfefferkorn, würden sich die Juden zum Christentum bekehren, darum müssten sie aus der christlichen Gemeinschaft ausgestoßen werden. Ihre Bücher seien voller Ketzereien und Gotteslästerungen und also zu verbrennen. Bemerkenswert an diesem Pamphlet ist die Mühe, die man sich gab, zwei jüdische Gebete auf Hebräisch, in lateinischer Umschrift und deutscher Übersetzung wiederzugeben. Mit den Texten will Pfefferkorn den jüdischen Hass auf die Christenheit beweisen.
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Das Mandat zur Konfiskation jüdischer Bücher, abgedruckt in der Defensio Joannis Pepericorni contra famosas et criminales obscurorum virorum epistolas. Köln: Heinrich Neuß, 1516.
Pfefferkorn, der im deutschen Franziskanerorden und der Herzogin Kunigunde von Bayern, der Schwester des Kaisers, mächtige Unterstützer fand, konnte Maximilian I. überreden, ihm die Vollmacht zur Enteignung und Verbrennung jüdischer Bücher zu erteilen. Das erste Mandat, erlassen am 19. August 1509, ist in verschiedenen, leicht voneinander abweichenden Versionen überliefert. Die Weisung des Kaisers stieß auf politischen Widerstand, weshalb dieser am 10. November 1509 ein zweites Konfiskationsmandat erließ, mit dem er die Gesamtvollmacht für diese Aktion dem Erzbischof von Mainz übertrug. Die Mandate wurden in Frankfurt am Main und in Gemeinden entlang des Rheins umgesetzt, bis der Kaiser die Aktion am 23. Mai 1510 mit einem dritten Mandat aussetzte und Gutachten anforderte.
Johannes Pfefferkorn, Handt Spiegel. Mainz: Johannes Schöffer, 1511.
Von dem Augenblick an, in dem Reuchlin dem Kaiser seinen „Ratschlag“ gegen die Konfiskation jüdischer Bücher übergeben hatte, hatten auch Pfefferkorn und die antijüdischen Kräfte Zugang zu dem Text. Der Handt Spiegel Pfefferkorns war die erste Reaktion auf Reuchlins Einwände gegen die Konfiskation, damit zugleich eine gefährliche Verschärfung des Angriffs auf die jüdische Kultur. Im Handt Spiegel erscheinen die Juden nicht nur als verächtliche Gotteslästerer und Wucherer, die die christliche Gemeinschaft zersetzen, sondern auch als blutrünstige Mörder von Christen. Diese Schrift löste eine neue und bedrohliche Welle öffentlicher antijüdischer Agitation aus: Die Bücherkonfiskationen sollten unbedingt wieder aufgenommen werden.
Der Handt Spiegel erschien im Frühjahr 1511 und wurde zum gefragtesten Titel der Frankfurter Buchmesse im April. Reuchlin gelang es, seine Erwiderung, den Augenspiegel, rechtzeitig für die Herbstbuchmesse dieses Jahres fertigzustellen. Damit war die länderübergreifende Auseinandersetzung eingeleitet.
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Protokolle der Begegnungen zwischen dem Frankfurter Rat und der Jüdischen Gemeinde der Stadt Frankfurt, 1509-1510 (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Juden Akten 779, fol. 6r-13v; 19v).
Dieses kleine, im Verlauf der Ereignisse geschriebene Heft bildet die wichtigste Quelle für die Rekonstruktion des Ablaufs der Frankfurter Bücherkonfiszierungen. Es enthält sechs Einträge, die Begegnungen zwischen der jüdischen Gemeinde, Vertretern des Frankfurter Rates und der Judenbücherkommission unter der Leitung von Johannes Pfefferkorn und dem Mainzer Professor Hermann Ortlieb protokollieren. Diese Begegnungen fanden or allem in der Frankfurter Synagoge statt.
Der erste Eintrag vom 25. September 1509 beschreibt die Ankündigung der Konfiszierung in der Frankfurter Synagoge selbst. Die Juden waren schockiert und baten "als erschrocken lute" um einige Tage Bedenkzeit, um auf diese ernste Bedrohung zu reagieren.
Zwei weitere Einträge schildern den Verlauf der zwei durchgeführten Konfiszierungen, die erste vom 25. September 1509, als 168 Bücher der Synagogenbibliothek, und die zweite vom 11. April 1510, als alle hebräischen Bücher im Besitz der Frankfurter Juden (mit Ausnahme der Bibel) beschlagnahmt wurden.
Bittschrift an Kaiser Maximilian I. aus Frankfurt am Main, 28. März 1510 (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Juden Akten 779, fol. 36r-38v).
Diese Bittschrift an Kaiser Maximilian, der sich im Frühjahr 1510 auf dem Augsburger Reichstag aufhielt, zeigt die Entschlossenheit des Frankfurter Rates, die jüdische Gemeinde vor den Konfiszierungen in Schutz zu nehmen. Wie später auch Reuchlin in seiner Verteidigung argumentierte, behauptete der Rat, die Beschlagnahmung der Bücher verstoße gegen das kirchliche und das kaiserliche Recht, das den Juden die Ausübung ihrer Religion gestatten.
Der Rat schickte diese Verteidigungsschrift an seinen Gesandten auf dem Augsburger Reichstag, allerdings in drei verschiedenen Fassungen. Der Gesandte sollte die Lage abwägen und entscheiden, welche Version einzureichen war. Der für die jüdische Gemeinde günstigste Antrag verlangte die sofortige Rückgabe der schon beschlagnahmten Bücher sowie die Aufhebung der Bücherkonfiszierung.
Es ist nicht bekannt, welche Version auf dem Reichstag tatsächlich übergeben wurde. Auch eine Antwort des Kaisers ist nicht überliefert. Doch das Ergebnis der Verhandlungen fiel für die Juden extrem ungünstig aus, denn am 11. April wurden in Frankfurt sämtliche jüdische Bücher beschlagnahmt.
Inventar der am 11. April 1510 beschlagnahmten Bücher, 13. April 1510, mit späteren Ergänzungen (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Juden Akten 779, fol. 44r-55r).
In einem Versuch, die Konfiszierungen zumindest unter Kontrolle zu halten, verlangte der Frankfurter Rat ein Verzeichnis der beschlagnahmten jüdischen Bücher. Dadurch sollte vor allem verhindert werden, dass die Bücher, solange ein endgültiges Urteil nicht gefallen war, aus Frankfurt weggeschafft oder zerstört würden. Dieses Verzeichnis lässt erkennen, dass die Bücher in sieben Fässern im St. Martha Hospiz in der Nähe der Judengasse aufbewahrt werden sollten.
Die Bücherliste enthält etwa 430 Einträge, viele mit Zählstrichen, die mehrere Exemplare desselben Werks anzeigen. Das Verzeichnis bestätigt also ungefähr Pfefferkorns Behauptung, er habe 1500 Bücher in Frankfurt beschlagnahmt. Die meisten Titelangaben sind stark verballhornt, weil der christliche Schreiber offensichtlich keine Kenntnis des Hebräischen hatte. So erscheint die Gemara (der wichtigste Teil des Talmud) zumeist als "morar dalmut," jüdische Gebetbücher als "villa" (eine Entstellung von "Tefillah") und Kommentare ("Perush") als "beres."
Am Ende des Inventars wurden die Besitzer aufgelistet, denen die beschlagnahmten Bücher am 7. Juni 1510 zurückgegeben wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Maximilian die Konfiszierungen vorübergehend aufgehoben, im Gegenzug für eine Schuldenermäßigung, die einige Frankfurter Juden Herzog Erich von Braunschweig, einem wichtigen Verbündeten Maximilians, gewährt hatten.
Kaiser Maximilian I., Schutzbrief für die jüdische Gemeinde Frankfurts, 30. Juli 1513 (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Juden wider Juden Nr. 5. Fol. 3v-5r).
Es handelt sich um den ersten Schutzbrief, den Kaiser Maximilian für die Frankfurter Gemeinde erlassen hat.
Mit der Suspendierung der Beschlagnahmungen hatte sich die politische Lage der Frankfurter Juden schlagartig verändert. Der Rat, der vorher die jüdische Gemeinde in Schutz genommen hatte, begann jetzt, über die Ausweisung aller Juden nachzudenken. Im Bestreben, seine Macht über die Frankfurter Gemeinde zu vergrößern, hatte Kaiser Maximilian diesen Schutzbrief ohne die Zustimmung des Rates als Gegenleistung für die Zahlung von 2000 Gulden ausgestellt. In einer kompletten Kehrtwende verteidigt der Schutzbrief jetzt die Frankfurter Juden gegen die Kampagne von Johannes Pfefferkorn. Er wurde mit ähnlichem Wortlaut am 8. Oktober 1514 erneuert und war historisch insofern bedeutsam, als er die Rechtsgrundlage dafür bildete, den 1516 unternommenen Versuch abzuwehren, die Juden aus allen Territorien des Erzbistums Mainz auszuweisen. Dies ist der einzige bekannte Versuch, die Juden gleichzeitig aus mehreren Territorien des Reichs zu vertreiben.
Johannes Reuchlin, Doctor Johannsen Reuchlins … Augenspiegel. Tübingen: Thomas Anshelm, 1511.
Der Augenspiegel war Reuchlins Antwort auf Pfefferkorns Handt Spiegel, enthält aber auch eine umfangreiche, zweiundvierzig Seiten starke Verteidigung der jüdischen Schriften gegen Konfiskation und Verbrennung. Reuchlin argumentiert juristisch, nach römischem Zivil- und nach Kirchenrecht, aber auch mit theologischen Gründen, der Bibel folgend: Christen sollten und müssten die Juden und ihre Schriften tolerieren. Jüdisches Wissen und Theologie seien, so Reuchlin, für das Christentum und das christliche Leben von entscheidender Bedeutung. Der Vorwurf, diese Schriften seien blasphemisch und ketzerisch, sei zurückzuweisen. Reuchlins akademische Verteidigung der jüdischen Literatur erwies sich als verheerend für die Konfiskationskampagne. Es war kein Wunder, dass Hoogstraeten, Tongern, Pfefferkorn und andere Reuchlin von nun an rücksichtslos attackierten.
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Johannes Reuchlin, Defensio Joannis Reuchlin Phorcensis ll. doctoris contra calumniatores suos Colonienses. Tübingen: Thomas Anshelm, 1513.
Diese Schrift ist Reuchlins Erwiderung auf die Articuli Arnolds van Tongern, Professor an der Universität Köln, der als erster eine förmliche Liste der im Augenspiegel enthaltenen Häresien vorgelegt hatte. Reuchlins neuer Text enthält scharfe Schmähungen gegen die Professoren der theologischen Fakultät der Universität zu Köln, die er „Teufel-logen” nennt, und gegen Johannes Pfefferkorn, der ein „unwissender Metzger,” "Ketzer" und "Halbjude" sei. Zugleich aber ist die Schrift eine ernsthafte Zurückweisung der antijüdischen Kampagne: „Mit diesen Büchern aus Köln verbreiten sie überall die Auffassung, dass die Juden hinfort keine Juden mehr sind, sondern Ketzer und unsere Feinde.“18 Und mutig fährt Reuchlin fort: „Ich weiß, meine Gegner hat es verdrossen, dass ich die Juden als unsere Mitbürger bezeichnet habe. Jetzt will ich sie noch mehr verärgern, so dass sie platzen, wenn ich sage, dass die Juden unsere Brüder sind.“
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Illustrium virorum epistolae, zweite, erweiterte Auflage. Hagenau: Thomas Anshelm, 1519.
Reuchlin veröffentlichte diesen Briefwechsel zuerst 1514, um zu zeigen, dass er die führenden Humanisten der Zeit auf seiner Seite hatte. Zu seinen Briefpartnern gehörten unter anderen Sebastian Brant, Erasmus, Marsilio Ficino und der Drucker Aldo Manuzio. Doch enthält die Sammlung auch einige der Briefe, die er mit jüdischen Gelehrten gewechselt hat und provozierte damit Johannes Pfefferkorn zu weiteren Anklagen wegen Ketzerei (allzu wohlwollende Haltung gegenüber den Juden).
Die zweite Auflage enthält darüber hinaus Briefe, die Reuchlins enge Verbindungen mit dem Vatikan belegen, unter anderem auch Stellungnahmen von Prälaten, die ihn 1516 vom Vorwurf der Häresie freisprachen. Eines dieser Schreiben zitiert Papst Leo X. mit den Worten: „Ich werde nicht zulassen, dass diesem Mann irgendein Leid zugefügt wird.“ Auch eine 1518 von Martin Luther formulierte Stellungnahme findet sich in diesem Band.
Arnold van Tongern, Articuli sive propositiones de iudaico favore nimis suspecte ex libello theutonico domini Ioannis Reuchlin … extracte. Köln: Quentel 1512.
Arnold van Tongern (um 1468/70-1540) war ein angesehener Professor der scholastischen Theologie an der Universität zu Köln. Ihm war Pfefferkorns Handt Spiegel gewidmet. Von ihm stammt die erste Liste mit Artikeln gegen Reuchlins Verteidigung jüdischer Schriften. Diese seien, so behauptete Tongern, Ausdruck „einer unerlaubte Begünstigung der Juden und des Judentums“, enthielten zudem dreiundvierzig ketzerische oder falsche Behauptungen, die Tongern dann auflistet. So schädlich Tongerns Angriff für Reuchlin gewesen sein mag, der bedeutsamste Aspekt ist der Generalangriff auf das Judentum. Nicht nur, dass Tongern alle Unterstellungen gegen den Talmud und die jüdischen Gebete wiederholte, er behauptete auch noch, dass Juden Brunnen vergifteten, die christliche Eucharistie entweihten und aus rituellen Gründen christliche Kinder ermordeten – Punkte, die mit Reuchlins Verteidigungsschrift überhaupt nichts zu tun hatten. Obwohl solche Vorwürfe damals häufig erhoben wurden, war es ungewöhnlich, dass eine akademische Autorität solche niederträchtigen Unterstellungen propagierte.
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Jacob Hoogstraeten, Destructio cabale, seu cabalistice perfidie ab Ioanne Reuchlin Capnione iampridem in lucem edite. Köln: Peter Quentell, 1519.
Jacob Hoogstraeten (um 1460-1527) war Professor der Theologie, Prior des Kölner Dominikanerkonvents, päpstlicher Inquisitor für die Kirchenprovinz Teutonia und der unerbittlichste Gegner Johannes Reuchlins. Er eröffnete in Deutschland mehrere Prozesse gegen ihn und trat von 1514 bis 1518 auch in Rom persönlich als Ankläger gegen Reuchlin auf. Dieser Traktat, eine ausführliche Kritik von Reuchlins De arte cabalistica, richtet sich vor allem gegen die neue humanistische Bibelphilologie. An einer Stelle droht Hoogstraeten damit, auch Erasmus wegen seiner neuen Bibelausgabe (1516 und öfter) vor ein Inquisitionsgericht zu bringen.
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Johannes Pfefferkorn, Abzotraiben und aus zuleschen eines vngegrunten laster buechleyn mit namen Augenspiegel … Dar gegen ich meyn vnschult allen menschen gruntlich tzu vernemen vnd tzu vercleren in desez gegenwyrdigen buechgelgyn genant Brantspiegell gethan hab [Brandspiegel]. Köln: Herman Gutschaiff 1512.
Diese Erwiderung auf Reuchlins Augenspiegel ist eines von Pfefferkorns gehässigsten Pamphleten. Aufgelistet werden rund dreiundvierzig Irrtümer aus dem Augenspiegel, außerdem verurteilte Pfefferkorn Reuchlins Studium der hebräischen Sprache: Die Juden, behauptete er, hätten ihren Verteidiger bestochen und korrumpiert. Pfefferkorn forderte das sofortige Ende des Judentums im Heiligen Römischen Reich und plädierte für die Zwangstaufe jüdischer Kinder. Das Pamphlet zeigt, dass es Pfefferkorns Strategie war, sich zunächst auf die drei bedeutendsten jüdischen Gemeinden Deutschlands zu konzentrieren: auf Frankfurt, Worms und Regensburg.
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Epistolae obscurorum virorum [Dunkelmännerbriefe]. Verleger und Verlagsort sind unbekannt, 1517.
Die Dunkelmännerbriefe, einer der Klassiker unter den satirischen Texten des Humanismus, verspotten die Gegner Reuchlins, insbesondere Pfefferkorn, Hoogstraeten, Tongern und Ortwin Gratius, einen weiteren Kölner Professor. Die fingierten Briefe der „Dunkelmänner“ beschreiben deren sexuelle Eskapaden, ihre Trinkgelage und Schlemmereien, ihre absurden Disputationen über theologische Fragen und ihr kleinliches Gezänk mit humanistischen Professoren aus dem ganzen Reich. Trotz des derben Humors werden viele ernsthafte Themen behandelt, wie der moralische Zustand des Klerus, der Humanismus, die scholastische Theologie und die spekulative Philosophie. Die Dunkelmännerbriefe--der bei weitem am häufigsten nachgedruckte Beitrag zur Reuchlin-Affäre--illustrieren die Tendenz, den Streit ab 1514, unabhängig von der Kampagne gegen die Juden, als Auseinandersetzung zwischen Scholastikern und Humanisten zu verstehen.
Wer solche Spottschriften gegen einen päpstlichen Inquisitor und Professor der Theologie veröffentlichte, ging erhebliche Risiken ein, darum musste das Werk anonym erscheinen. Heute wissen wir, dass drei Humanisten als Autoren beteiligt waren: Crotus Rubeanus, Ulrich von Hutten und Hermann Busch. Der zweite, hier ausgestellte Teil der Schrift enthält die bissigen Satiren Huttens.
Acta iudiciorum. Hagenau: Thomas Anshelm, 1518.
Wahrscheinlich von Reuchlin selbst oder von einem seiner Unterstützer herausgegeben, stellen diese Akten die frühe Geschichte des Reuchlin-Streits dar. Da viele offizielle Dokumente, auch die Anklagen gegen Reuchlin selbst, sorgfältig zitiert werden, ist der Band eine unersetzliche Quelle für jede Rekonstruktion der Prozesse. Dokumentiert werden Reuchlins Prozesserfolge in den ersten Verhandlungen in Speyer (1514) und vor der römischen Kurie (1516). Die Schrift endet mit einer voreiligen Feier von Reuchlins Sieg: „Schließlich musste … (Hoogstraeten) von der römischen Kurie abreisen, wo er sich vier Jahre lang mit unterschiedlichsten Mitteln bemüht hatte, das Speyerer Urteil aufzuheben; und doch musste er unverrichteter Dinge nach Köln zurückkehren. Das Urteil von Speyer blieb bestehen und wird es auch auf ewig bleiben.“
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Johannes Pfefferkorn, Ajn mitleydliche claeg vber alle claeg. Köln: Servas Kruffter 1521.
Trotz Reuchlins Prozesserfolgen wurde der Augenspiegel schließlich doch noch, am 23. Juni 1520, von Papst Leo X. verurteilt: „Besagtes Buch, der Augenspiegel, war und ist schändlich und anstößig für die Ohren frommer Christen, er ist über die Maßen wohlwollend gegenüber den ungläubigen Juden und muss darum aus dem Verkehr gezogen und den Christen aus der Hand genommen werden. Sein Gebrauch ist zu verbieten, usw.” Zu dieser Entscheidung kam es mit ziemlicher Sicherheit, weil der Papst die Autorität der Kirche in Deutschland gegen die wachsende Herausforderung der lutherischen Bewegung stärken musste.
In dieser letzten Publikation der Reuchlin-Affäre forderte Pfefferkorn einen Zivilprozess vor dem Reichstag zu Worms und Reuchlins öffentliche Hinrichtung als Ketzer. Obwohl auch Reuchlin, um sich zu verteidigen, einen neuen Prozess vor einer kaiserlichen Instanz gefordert hatte, kam es dazu nie. Reuchlin wurde auch nicht verurteilt und hingerichtet. Er starb in Stuttgart am 30. Juni 1522.
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Martin Luther, Von den Jüden vnd jren Lügen. Wittenberg: Hans Lufft, 1543.
Angeregt durch Reuchlin setzten viele christliche Gelehrte das Studium des Hebräischen und der rabbinischen Schriften fort. Einige von ihnen gelangten zu relativ positiven Urteilen über das Judentum, viele andere jedoch nicht. Martin Luther unterstützte Reuchlin zunächst und war einer der Gelehrten, die nach Reuchlins Grammatik Hebräisch lernten. In den Jahren zwischen 1530 und 1540 forderte jedoch auch er in seinen Schriften, die jüdischen Bücher zu verbrennen und die jüdischen Gemeinden gewaltsam aufzulösen. Ein besonders berüchtigtes Beispiel dafür ist die hier gezeigte Schrift Von den Jüden und ihren Lügen. Schockiert über die Heftigkeit von Luthers Antisemitismus, schrieb der Schweizer Reformator Heinrich Bullinger: „Wenn heute jener berühmte Held Reuchlin wiedererweckt würde, er würde meinen, dass Tongern, Hochstraeten und Pfefferkorn in diesem einen Luther zurückgekehrt wären."19
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18. Reuchlin, Defensio (1513), in Sämtliche Werke 4/1:254, ll. 14-15.
19. Zitiert nach Reinhold Lewin, Luthers Stellung zu den Juden (Berlin: Trowitzsch und Sohn, 1911), 98.